Presserechtliche Informationsschreiben

FAZ siegt beim BGH

Es geht um den Versuch, mit Anwaltsschreiben eine Einschüchterungswirkung bei Redaktionen auszulösen und die Gefahr eines sogenannten „chilling effects“.

Der Vorgang verdient eine Betrachtung unter zwei Gesichtspunkten:

  1. Warum lassen sich Redaktionen eigentlich einschüchtern, wenn sie sich im Rahmen der Gesetze – d.h. auch des Persönlichkeitsrechts – bewegen?
  2. Sind Anwaltsschreiben an eine Zeitung nicht die Wahrnehmung berechtigter Interessen eines Mandanten und damit auch Ausdruck seiner Meinungsfreiheit?

Es gilt die Veröffentlichung der Urteilsbegründung abzuwarten, denn die unten aufgeführte Pressemitteilung des BGH ist nicht aussagekräftig genug.

Aber eins steht fest: Einmal publizierte Inhalte sind in der digitalen Medienwelt nicht mehr rückholbar. Eine Falschinformation, ein Eingriff in Persönlichkeitsrechte und ein Schaden haben damit eine Ewigkeitsgarantie.

Informationelle Vorsorge hat in Zeiten der Medienkonvergenz eine viel umfassendere und nachhaltige Bedeutung bekommen.

Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle
Nr. 005/2019 vom 16.01.2019
Bundesgerichtshof entscheidet über die Zulässigkeit presserechtlicher Informationsschreiben
Urteil vom 15. Januar 2019 – VI ZR 506/17
Der Verlag der Klägerin gibt eine Zeitung heraus, in der unter der Rubrik „Herzblatt-Geschichten“ Veröffentlichungen der Boulevardpresse über Prominente aufgegriffen werden. Der Beklagte zu 2, ein bekannter Musiker, war wiederholt Gegenstand einer solchen Berichterstattung durch die Klägerin. Die Beklagte zu 1 betreibt eine presserechtlich tätige Rechtsanwaltskanzlei. Sie versendet an von ihr ausgewählte Verlage sogenannte presserechtliche Informationsschreiben, in denen ein rechtliches Vorgehen gegen eine etwaige Berichterstattung über gewisse Ereignisse oder Umstände in Aussicht gestellt wird. Die Klägerin forderte die Beklagte zu 1 auf, sie aus dem Verteiler für den Versand derartiger Schreiben zu nehmen.
Die Beklagten übermittelten der Klägerin am 11. Mai 2016 gleichwohl ein weiteres presserechtliches Informationsschreiben, mit dem sie darum baten, von einer Übernahme der angeblich persönlichkeitsrechtsverletzenden Berichterstattung über den Beklagten zu 2 in einer anderen Zeitung Abstand zu nehmen. Die Klägerin verlangt von den Beklagten, es zu unterlassen, ihr presserechtliche Informationsschreiben per Telefax zuzusenden, wenn dies geschieht wie mit dem Schreiben vom 11. Mai 2016.
Das Landgericht hat die Beklagten zur Unterlassung verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Unterlassungsantrag weiter.
Der unter anderem für Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche aus unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und das Urteil des Landgerichts wiederhergestellt.
Die Übermittlung eines presserechtlichen Informationsschreibens greift in der Regel nicht rechtswidrig in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb eines Presseunternehmens ein. Derartige Schreiben zielen auf einen effektiven – möglichst bereits vor einer Verletzung wirksam werdenden – Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Sie dienen dazu, dem von einer befürchteten Rechtsverletzung Betroffenen bereits im Vorfeld Gehör zu gewähren und dadurch persönlichkeitsrechtsverletzende Rechtsverstöße von vorneherein zu verhindern oder jedenfalls ihre Weiterverbreitung einzuschränken. Hinter diesen schutzwürdigen Interessen hat das Interesse eines Presseunternehmens, presserechtliche Informationsschreiben nicht zu erhalten, in der Regel zurückzutreten. Eine andere Beurteilung ist allerdings dann geboten, wenn das übersandte Informationsschreiben von vorneherein ungeeignet ist, präventiven Rechtsschutz zu bewirken. Hiervon ist auszugehen, wenn es keine Informationen enthält, die dem Presseunternehmen die Beurteilung erlauben, ob Persönlichkeitsrechte durch eine etwaige Berichterstattung verletzt werden. So verhielt es sich im Streitfall.
Vorinstanzen:
Oberlandesgericht Frankfurt am Main – Urteil vom 14. Dezember 2017 – 16 U 60/17
Landgericht Frankfurt am Main – Urteil vom 2. März 2017 – 2-03 O 219/16
Karlsruhe, den 16. Januar 2019
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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